Tennessee Williams
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"Die Glasmenagerie" | ||
Premiere
am 17. November 2007
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Regie: Marc Lunghuß | ||
Bühne: Thomas Schunck | ||
Kostüme: Grit Groß |
Laura ist ein verschlossenes Mädchen, das sich lieber mit ihren Glastierchen unterhält, als sich dem Leben außerhalb ihrer vier Wände zu öffnen. Sie lässt sich treiben. Anders ihr Bruder Tom. Um die Familie zu ernähren, hat er einen Job im Schuhlager angenommen. Widerwillig geht er zur Arbeit und verbringt den Rest des Tages im Kino. Tom spürt, dass er dieses Leben nicht mehr lange ertragen kann, aber er liebt seine Schwester und lässt sich von Mutter Amanda überreden, die Verheiratung Lauras voranzutreiben. Er lädt seinen Kollegen Jim als potentiellen Heiratskandidaten ein. Was Tom nicht weiß: Jim ist die große unerfüllte Jugendliebe Lauras. Das Treffen gestaltet sich schwierig. Zunächst muss Jim die Flirtversuche der Mutter über sich ergehen lassen. Dann gerät die Abendgesellschaft plötzlich in völlige Dunkelheit: Stromausfall. Im allgemeinen Durcheinander trifft Jim auf Laura, die sich bisher im Verborgenen hielt. Es kommt zu einer bizarren Liebesszene, in deren Folge Jim verwirrt das Haus verlässt ... Damit stürzt das Gebilde von Illusionen für alle Figuren zusammen - die Wirklichkeit hat sie eingeholt, es bleiben nur Erinnerung, Traum und die womöglich nie sich einlösende Möglichkeit von Liebe. Text - Theater Chemnitz !!! |
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Tennessee Williams Erfolgsstück "Die Glasmenagerie", mit Katja Paryla in der Rolle der Mutter, hatte auf der Großen Bühne des Schauspielhauses an Stelle des Dürrenmatt-Klassikers "Der Besuch der alten Dame" Premiere. Die ursprünglich geplante Spielplanposition musste aufgrund einer Erkrankung aufgegeben werden, hat aber diese dennoch erfreuliche Alternative gefunden. Der junge Regisseur Marc Lunghuß, gefeiert in Leipzig, hat mit der "Glasmenagerie" eins der beliebtesten Bühnenstücke für das Chemnitzer Publikum inszenieren. Text - Theater Chemnitz !!! |
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Die Premiere spielten: | ||
Amanda
Wingfield
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Katja Paryla |
Laura
Wingfield
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Sabine Fürst |
Tom
Wingfield
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Michael Pempelforth |
Jim
O'Connor
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Alexander Hetterle |
KRITIK: Ein Spiel mit
lauter zerbrechlichen Figuren Chemnitz. So soll gutes Theater sein, wir wollen mitfühlen, die Daumen halten, dass doch noch alles gut wird. Tennessee Williams führt uns in seinem Stück "Die Glasmenagerie" eine Familie vor, die schon gar keine mehr ist. Der Vater ist abgehauen, die Mutter will retten, was zu retten ist, Sohn und Tochter verweigern sich auf ihre Weise diesen verzweifelten und - auch zweifelhaften - Mühen um Zusammenhalt. Scherben am Ende, das dünne Glas der Spielzeugfiguren, in deren Gesellschaft sich die Tochter Laura geflüchtet hat, bricht. Wie alle Hoffnung und Träume zerbersten. Im Chemnitzer Schauspielhaus wurde das Stück auf die Bühne gebracht, die Inszenierung des Regisseurs Marc Lunghuß hatte am Sonnabend ihre Premiere und es gab viel Beifall. Der galt zweifellos dem Stück, der ausgeklügelten Regie und vor allem dem hervorragenden Spiel. Das war beste Schauspielkunst, ein Erlebnis, ein Mit-Erlebnis. Vier Darstellerinnen und Darsteller - viel Herz und eine Seele, auch wenn und gerade weil ihre Figuren völlig auseinandertriften. Katja Paryla, die gealterte Mutter Amada Wingfield: Sie arbeitet gerissen mit allen Tricks und mit zuweilen höchst skurrilen Methoden, um für die Tochter einen Mann an Land zu ziehen. Der Schwiegersohn ist mehr ihr eigener Traum von verlorenem Glück als er Garant der Zukunft ihrer Tochter - und damit ihrer selbst - wäre. Die Frau nervt, und doch fühlt man mit ihr, die Paryla gibt nicht einen Deut der Figur preis, der Kampf der Mutter ist der Kampf der Darstellerin um die Wahrhaftigkeit dieser Rolle. Auch in ihrer lächerlichen Selbstgefälligkeit hat sie Größe: Amanda spielt ihren Traum vo Glück und der lag ein Leben lang immer daneben. Sabine Fürst als Tochter Laura, das wäre - in der Oper - die Verführung zur Kür einer Primadonna. Dieses Mädchen, verkrüppelt und scheinbar infantil im Umgang mit ihrem Spielzeug-Glas, spielt die virtuose Ballerina. Aber nein - das spielt Laura gar nicht, das ist sie: So glaubhaft wie Sabine Fürst diese Verweigerung gibt, so schließt man sich dieses Mädchen ins Herz. Und ihr extensives Körperspiel war auch manchmal regelrecht herzzerreißend. Aus der Gespaltenheit dieser Figur entstehen die sinnlichsten Bilder der Inszenierung. Sohn Tom, dem sitzt die Schwester immer im Nacken, er sorgt für den Unterhalt der Familie und wird von der Mutter auch als Kuppler eingesetzt. Das arme Schwein will sich aber endlich seine eigenen Träume nicht mehr im Kino vorgaukeln lassen, sondern raus will er aus dieser Enge, die nicht mal Platz für seine Bücher und Platten kennt. Raus und davon wie sein Vater. Michael Pempelforth ist brutal gradlinig und höchst feinfühlig auch, sein Tom Wingfield streicht am Schluss ziellos umher, aber befreit. Man gönnt ihm den Ausbruch. Bei Alexander Hetterle als vermeintlich potentieller Bräutigam stehen die Dinge anders. Sein Jim hat Laura an den Punkt gebracht, da sie herausfinden könnte. Jim kneift, und der Zuschauer versteht ihn doch irgendwie auch... Was die vier da alles spielen, steht freilich bei Williams im Textbuch, der amerikanische Dramatiker hat das Stück in den vierziger Jahren geschrieben und vieles aus eigenem Erleben adaptiert. Amerikanische Südstaaten-Mentalität soll damals am Broadway bei der Uraufführung ein wenig Pate gestanden haben. Mag sein. Wir sind jedenfalls in Chemnitz, sind mit Menschenschicksalen auf Du und Du. Kann durchaus sein, dass die Paryla eine sächsische Mutter von nebenan ist. Reinhold Lindner, Freie Presse, 19.11.2007 ___________________________________________________________ Unter den Augen
des Homer Simpson Homer Simpson hat in Chemnitz eine ungewöhnliche Rolle: Als Vater blickt er von einem Porträt an der Bühnenwand auf seine Familie hinab: Seine Frau Amanda Wingfield (Katja Paryla) wird in der sparsam möblierten Familien-Wohnung zur erdrückenden und überbesorgten Mutter-Glucke, die nur eine einzige fixe Idee verfolgt: Sie will ihre behinderte Tochter Laura (Sabine Fürst) an den Mann bringen. Dabei hält sie Sohn Tom (Michael Pempelforth) fest am Bändel. Er bekommt die Rolle des Familienversorgers aufgedrückt, die er nur widerwillig übernimmt. Denn der Vater (Homer Simpson) hat die Familie längst verlassen. Auch Tom möchte weg, weg vom Job aus dem Schuhwarenlager und von der Familie. Er will hinaus in die Welt und nicht nur jeden Abend ins Kino. Gespräche mit Glastieren In Marc Lunghuß' Inszenierung des Tennessee-Williams-Dramas "Die Glasmenagerie" kommt in einigen Dialogen zwischen Mutter und Tom tatsächlich manchmal etwas vom Humor der Simpsons auf die Bühne. Wenn sie seine Bücher und Platten verkauft oder ihn löchert, was er denn jeden Abend im Kino mache, denn kein normaler Mensch gehe jeden Abend ins Kino. "Ich bin ein Spieler, ein großer Mafia-Boss, ich geh in den Puff", erschreckt Tom die Mutter. Aber zumeist ist das Stück eher eine beklemmende Situationsbeschreibung. Denn Tom kann nicht gehen, er hängt an seiner Schwester, die so anders ist als andere, die mit kleinen Glastieren spricht und mit großen Plüschtieren kuschelt. Sabine Fürst bringt die Laura zum Tanzen, zum Gehen auf Krücken und zum Kriechen in ihrer eigenen Welt. Annäherung im Dunkeln Als Tom auf Drängen der Mutter, die unbedingt einen Verehrer für ihre Tochter will, seinen Arbeitskollegen Jim O´Connor (Alexander Hetterle) einlädt, bringt Laura ihn trotz ihrer Behinderung zum Weinen. Aber nur, weil Laura ihn mit einem College-Album an glanzvollere Zeiten erinnert, als er bei allen beliebt war und nicht im Schuh-Lager arbeiten musste. Jim und Laura kommen einander näher, als sie die Sicherung herausschraubt und das Licht ausgeht. Laura überlässt ihm ihre Lieblingsglasfigur, ein Einhorn, das aber bei einem wilden Tanz zerbricht. Daraufhin verrät Jim, dass er bald heiraten wird. So lässt er eine zerbrochene Laura und eine entsetzte Mutter zurück, denn auch Tom ist gegangen, um sein eigenes Leben zu leben. Homer Simpson war mit dem Stromausfall zuvor schon in den Dekorationen verschwunden. Leider. Denn irgendwie fehlte dem biografischen Bühnen-Klassiker von Tennessee Williams in Chemnitz etwas vom bösen gelben Witz der Simpsons. So ließ sich auch das Publikum trotz überzeugender Spielkunst der Darsteller nicht zu langen Ovationen hinreißen. Brigitte Pfüller, Sächsische Zeitung, 19.11.2007 ___________________________________________________________ Bedeppert zerdeppert Chemnitz. Laura sammelt Glastierchen und tickt offenbar im Oberstübchen nicht mehr ganz richtig. "Sie ist doch nicht reizlos!", heult Mama auf. Bruder Tom sucht auf Mamas Geheiß einen Doofen, der seine Schwester ehelicht, und läd Jim zum Essen mit Anbaggern ein. Marc Lunghuß inszeniert das Familiendrama "Die Glasmenagerie" des lebensgebeutelten Tennessee Williams (1911-1983) am Chemnitzer Schauspiel wortwitzig heiter, unbeschwert, knackig-kurz und heimste zur Premiere am Sonnabend viel Beifall ein. Die Menagerie ist eine kaputte Familie: Vater ist fort, Mutter will Ordnung, Sohn will fort, Tochter will gar nix - nur eine günstige Verheiratung Lauras könnte Hoffnung bringen. Doch der Auserwählte kneift. Übermutter, Nullbocktusse, Kotzpillensohn, Leichtfußheini - ziemlich vertraute Typen beim Blick hinter die Gardinen im über 60 Jahre alten 4-Personen-Stück aus Amerikas Südstaaten. Lunghuß hat sie durchaus eindrucksvoll in unser Großplüschtier-Jahrhundert herübergerettet. Eine Art Puppenstube wird von Mama und Sohn bei Bedarf auf der Bühne umhergeschoben, allgegenwärtig ein Resenposter mit dem geflüchteten Papa, auf einem Kanapee wälzt sich Spielzeuggerümpel. Alles und alle wirken verloren auf dieser ansonsten roh-schwarzen Bühne und in dieser Welt, auch wenn sie sich BH oder Unterhose noch so aufpumpen (Ausstattung: Tobias Schunck, Grit Groß). Alle reden mit sich selbst, keiner hört zu - Lunghuß zeigt ein fröhlichkaputtes Familien-Panoptikum mit zerdepperten Glas- und sonstigen Figürchen, lässt dabei aber leider auch viele tragischen Momente verkichernd verhunzen. Dagegen stark und schwach, komisch und tragisch, erbärmlich und erbarmungswürdig zugleich: Katja Paryla als Mama Amanda, wenn sie sich und dem vermeintlichen Freier ihr Leben und ihre Tochter schönredet. Cool mit Ray-Ban-Sonnenbrille Michael Pempelforth als glaubwürdig genervter Tom, irdisch-lässig Alexander Hetterle als nett-verdutzter Beinahe-Bräutigam Jim. Sabine Fürst ist eine zerbrechliche Laura mit manchmal überdehnten Gewisperszenen, aber dem bestimmt liebestollsten Mund-zu-Mund-Kaugummitausch. Trotzdem liegt sie am Ende wie ein Häufchen Unglück herum - alle sind fort, nur Mama guckt bedeppert zu. Ch. Hamann-Pönisch, Chemnitzer Morgenpost, 19.11.2007
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Erstellt am 05.04.2009 | |||