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Yasmina Reza
  "Drei mal Leben"
 
Premiere am 12. April 2003
     
 
Regie: Frank Matthus
    Bühne: Jürgen Siegert
    Kostüme: Dagmar Kunze
     

"Die Kunst soll den Menschen in eine Dimension versetzen, die über dem Alltag steht, sie soll ihn klüger machen. Ob der Mensch dadurch auch glücklicher wird, wage ich zu bezweifeln."

Yasmina Reza

 


Ein Ehepaar, Henri und Sonja, des Abends im Wohnzimmer. Der Streit um das aus dem Nachbarzimmer rufende Kind, das nicht schlafen will. Plötzlich Klingeln an der Wohnungstür. Henri's Vorgesetzter Hubert und Frau Ines, erst für den nächsten Abend erwartet, stehen draußen. Was nun folgt, ist eine tragikomische Kette aus Missverständnissen, Zornesausbrüchen und Demütigungen. Eine Sackgasse,

also noch einmal von vorn:
Henri und Sonja sitzen im Wohnzimmer, das Kind ruft von nebenan. Streit um die richtige Erziehung, Klingeln an der Wohnungstür, Hubert und Ines stehen draußen - wieder der falsche Tag, wieder eskaliert die Situation, obwohl sich die beteiligten Personen diesmal anders verhalten.

Also noch mal von vorn:
DREI MAL LEBEN immer anders und doch immer gleich - eine Kampfansage an das Leben, eine Liebeserklärung an das Leben. Ein Abend mit großem Wiedererkennungseffekt, vier tolle Rollen für Schauspieler und ein hoffentlich amüsiertes Publikum - diese drei Gründe sollten reichen für die Entscheidung, dieses Stück zusätzlich in den Spielplan aufzunehmen.

 
Die Premiere spielten:
Henri
-
Nils Brück
Sonja
-
Antje Weber
Hubert Finidori
-
Jürgen Lingmann
Ines Finidori
-
Anne-Else Paetzold

KRITIK:

Lebenslügen in dreifacher Ausfertigung

Frank Matthus inszenierte Yasmina Rezas Stück „Drei Mal Leben“ am Chemnitzer Schauspielhaus

Chemnitz. Der Sohnemann hat's gut. Sein Reich ist das Kinderzimmer - nur wenige Schritte von der elterlichen Wohnstube entfernt. Nah genug noch, um mit Rufen, Weinkrämpfen und all den anderen nachwuchserprobten Quälereien für Unmut zu sorgen, aber dennoch außer Sichtweite. Nur bedingt bekommt der Junior so mit, was sich an diesem Abend mitten in Paris abspielt.

Drei orange-farbene Sofas, dazu Couchtischchen, Deckenstrahler und Garderobenständer - viel mehr als solch nüchternes Interieur (dem Schwedenmöbelhaus sei Dank) hat Regisseur Frank Matthus seiner Schauspielermannschaft nicht zur Seite gestellt für „Drei Mal Leben". Das Stück von Yasmina Reza (Bühne: Jürgen Siegert, Kostüme: Dagmar Kunze) hatte am Sonnabend Premiere im gut gefüllten Chemnitzer Schauspielhaus. Dass das Vier-Personen-Werk um Liebes- und Lebenslügen, Tragik des Alltags und die Banalitäten eines Abendessens eigentlich ein Fünferreigen ist, liegt am - eingangs erwähnten - Nachwuchs. Nur sein quälendes Stimmchen ist hin und wieder von nebenan zu hören, zu Gesicht bekommt der Zuschauer ihn nicht. Und so kann nur erahnt werden, was sich nebenan zwischen Kassettenrekorder und Kinderbettchen abspielt. Astrophysiker Henri (Nils Brück mit wilder Miene und wirrem Haar) und dessen Frau Sonja (meist recht entnervt Antje Weber) sind vorm Verzweifeln, als der Spross statt der Nachtruhe die Eltern mit Wut terrorisiert. Keks? Ja. Apfel? Nein. Oder umgekehrt. Erziehungsmethoden gar vielfältiger Natur bringen die erhoffte Ruhe nicht, und dass es unvermittelt an der Tür klingelt, ist auch keine Erlösung. Im Gegenteil. Eher zweckmäßig als freundschaftlicher Natur ist das Verhältnis zu Hubert (Jürgen Lingmann) und dessen Frau Ines (Anne-Else Paetzold), die einen Tag früher als besprochen zum Abendessen reinschneien und mit deren Erscheinen das Dilemma seinen Lauf nimmt.

Yasmina Reza lässt die Akteure leiden - und ein bisschen auch das Publikum. Die teils recht boshaften Spielchen um berufliche Anerkennung und art-ungerechte Hausfrauenhaltung folgen statt einmalig gleich in dreifacher Ausfertigung - was leider zu Lasten der Spannung geht. Im kinobekannten „Lola-rennt“-Stil jagt die Autorin ihre Protagonisten immer wieder durch peinliche Situationen, stets modifiziert um Nuancen. Vielleicht hätte es auch eine Wiederholung getan? Mal zeigt Hubert seiner Ines erniedrigend, wie schmal deren Wissen um galaktische Forscherfragen ist, mal baggert er Gastgeberin Sonja verzweifelt um ein intimes Treffen außerhalb der Wohnung an. An anderer Stelle droht Henri dem Sohn ob dessen Schreierei mit Prügel, bevor er kurzzeitig wieder den liebevollen und hoch-einsichtigen Vater und Ehemann gibt. Ein Verwirrspiel, das nur teilweise den erwünschten Humor vermittelt.

"Slapstick" funktioniert das Prinzip nur ansatzweise. So richtig gut wird das Geschehen auf der Bühne allenfalls in Version zwei, wenn Sonja und Ines sich für einen albernen Moment verbünden. Einzige Rettung für Zuschauer und Akteure: Dank der dreifachen Auswertung ist nach dem Desaster vor dem Desaster, braucht keiner vergessen und verzeihen. Beim nächsten Mal wird alles anders und das Murmeltier lässt grüßen. Freundlicher Applaus.


Jens Korch , Freie Presse, 14.04.2003

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  Erstellt am 14.08.2003